Ein Jahr Klimanotstand in Leipzig
Ein Jahr Klimanotstand in Leipzig
Vor einem Jahr haben Fridays for Future gemeinsam mit dem Jugendparlament Leipzig und weiteren engagierten Menschen in den Stadtrat eingebracht. Dieser wurde daraufhin um weitere Punkte der Stadtratsfraktionen ergänzt und am 30.10.2019 beschlossen. Der Beschluss umfasste elf Beschlusspunkte, die neben dem Gesamtbeschluss auch alle einzeln jeweils mit einer Mehrheit im Stadtrat beschlossen wurden.
Wir haben verschiedenen Gruppen, Verbände und politische Akteure aus Leipzig nun gefragt, wie die bisheriger Umsetzung zu bewerten ist und welche nächsten Schritte notwendig sind, damit wir in Leipzig darüber hinaus die ausreichend dazu beitragen, dass die Grenze von 1,5°C Erderhitzung nicht überschritten wird.
Unsere zwei Fragen zu einem Jahr Klimanotstand in Leipzig
Frage 1
Sind Zielstellung und Maßnahmen des Klimanotstands in Leipzig Ihrer Meinung nach ausreichend umgesetzt? Bitte begründen Sie Ihre Einschätzung.
Frage 2
Welche weiteren Aufgaben für mehr Klimaschutz müssen in Leipzig angegangen und bewältigt werden, um nicht nur eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einzunehmen, sondern tatsächlich die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass das 1,5°C-Limit nicht überschritten wird?
Die Antworten
Geantwortet haben bisher:
➡️ Quentin Kügler, Sprecher Jugendparlament Leipzig
➡️ Jeremias Kempt – Ökolöwe Umweltbund Leipzig e.V.
➡️ Alexander John – ADFC Leipzig
➡️ Martin Rebmann – BUND Leipzig
➡️ Eric Butter – Greenpeace Leipzig
➡️ Scientists for Future
➡️ Sylvio Röske – Employees for Future
➡️ Markus – Extinction Rebellion Leipzig
➡️ Michael Neuhaus – Fraktion Die Linke
➡️ Sophia Kraft – Fraktion B90/ Die Grünen Leipzig
➡️ Jürgen Kasek – Fraktion B90/ Die Grünen Leipzig
➡️ Dr. Sabine Heymann – CDU Fraktion Leipzig
➡️ Heiko Rosenthal, Bürgermeister für Umwelt, Klima, Ordnung und Sport
Quentin Kügler, Sprecher Jugendparlament Leipzig
Frage:
Sind Zielstellung und Maßnahmen des Klimanotstands in Leipzig ausreichend umgesetzt?
Antwort:
Die Ausrufung des Klimanotstandes vor einem Jahr war ein großartiger, gemeinsamer Erfolg verschiedenster Akteur*innen. Viele Maßnahmen, wie die Einrichtung eines Referates für Themen der Nachhaltigkeit, die Erweiterung des Beirates des Forums Nachhaltiges Leipzig oder die Aussetzung der Anschaffung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor, wurden bereits umgesetzt. Andere sind noch in Arbeit, beispielsweise die Fortschreibung des Energie- und Klimaschutzprogramms oder die Erarbeitung des Konzeptes zur klimaneutralen Verwaltung 2035. Auch das Klimaschutz-Monitoring und Prüfung der Klimawirkung einer Vorlage werden noch bearbeitet und verzögern sich wohl coronabedingt. Hier müssen wir weiter auf schnelle Ausarbeitung und Umsetzung drängen. Das Sofortmaßnahmenprogramm der Verwaltung wurde dank zahlreicher Änderungsanträge der Fraktionen im Stadtrat verbessert und leistet so einen wichtigen Beitrag zum Erreichen Zielen und Maßnahmen des Klimanotstandes.
Frage:
Welche weiteren Aufgaben für mehr Klimaschutz müssen in Leipzig angegangen und bewältigt werden, um nicht nur eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einzunehmen, sondern tatsächlich die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass das 1,5°C-Limit nicht überschritten wird?
Antwort:
Wir sollten unseren Fokus auf das legen, was hier in Leipzig kommunal machbar ist. Ein großes Thema in dem Zusammenhang ist die Mobilität. Dazu muss der ÖPNV weiter gestärkt und die Radinfrastruktur kontinuierlich verbessert werden. Nur so ist eine Verkehrswende möglich, die dem Klima unserer Stadt, aber auch u.a. der Verkehrssicherheit dient. Außerdem brauchen wir endlich den Maßnahmenplan zum Hitzesommer, um auf die bereits vorhandenen Folgen der Klimakrise zu reagieren. Mehr Trinkwasserbrunnen, Gründächer und Fassadenbegrünung sind nur einige Beispiele, um der Hitze zu begegnen.
Jeremias Kempt, umweltpolitischer Sprecher des Ökolöwen Umweltverband Leipzig e.V.
Frage:
Sind Zielstellung und Maßnahmen des Klimanotstands in Leipzig ausreichend umgesetzt?
Antwort:
Vor einem Jahr hat Leipzig den Klimanotstand ausgerufen, doch faktisch ist nicht viel passiert. In fünf Jahren ist die Restmenge an CO2-Emissionen, die Leipzig gemäß dem Pariser Klimaabkommen noch zur Verfügung steht, aufgebraucht. Längst müssen alle Beschlussvorlagen im Stadtrat auf Klimafreundlichkeit gecheckt werden, aber Leipzig checkts einfach nicht! Auch das Sofortmaßnahmenpaket zum Klimanotstand wurde nur halbherzig geschnürt und bis jetzt kaum umgesetzt. Es muss endlich gehandelt werden! Noch gibt es die Chance, das Ruder herum zu reißen.
Frage:
Welche weiteren Aufgaben für mehr Klimaschutz müssen in Leipzig angegangen und bewältigt werden, um nicht nur eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einzunehmen, sondern tatsächlich die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass das 1,5°C-Limit nicht überschritten wird?
Antwort:
Das Sofortprogramm der Stadt weist zwar in die richtige Richtung, hat aber nicht genug Power, um das Ruder rumzureißen. Die Treibhausgas-Emissionen in Leipzig sinken zu langsam, die Klimaziele werden verfehlt: Leipzig ist im Klimanotstand und muss entschlossener handeln! Bereits im Juni hatten die Ökolöwen eine Liste mit Maßnahmen veröffentlicht, die dringend in das Sofortprogramm aufgenommen werden müssen. Dazu zählen beispielsweise klimafreundliche Standards bei jedem Neubau, eine autofreie Innenstadt und die Stärkung der grünen Lunge Auwald. Es muss dringend nachgelegt werden. Die Zeit rennt, es ist schon jetzt fünf nach zwölf.
Alexander John, ADFC Leipzig
Frage:
Sind Zielstellung und Maßnahmen des Klimanotstands in Leipzig ausreichend umgesetzt?
Antwort:
Die Zielstellung ist nicht ausreichend. Die Klimaneutralität im Jahr 2050 ist angesichts der noch immer sehr hohen Treibhausgasemissionen erheblich zu spät, wenn am 1,5°-Ziel festgehalten werden soll. Aktuell sieht es eher nach 4° aus. Maßnahmen des Sofortmaßnahmenprogramms sind bisher keine umgesetzt, sondern bestenfalls in Umsetzung.
Frage:
Welche weiteren Aufgaben für mehr Klimaschutz müssen in Leipzig angegangen und bewältigt werden, um nicht nur eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einzunehmen, sondern tatsächlich die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass das 1,5°C-Limit nicht überschritten wird?
Antwort:
Leipzig nimmt keine Vorreiterrolle ein. Das ist ein Mythos auf dem man sich gern ausruht. Delitzsch – ca. 25km nördlich von Leipzig gelegen – ist seit fast 10 Jahren eine Energieplus-Kommune, d.h. dort wird mehr erneuerbare Energie produziert als verbraucht wird. Delitzsch nimmt somit eher eine Vorreiterrolle ein als Leipzig.Die bisherige CO2-Minderung in Leipzig seit 1990 liegt vor allem an der Deindustrialisierung in den frühen 1990er Jahren. Eigene Aktivitäten gibt es seitens der Stadt nur sehr wenig – was auch der mangelhaften Umsetzung des Energie- und Klimaschutzkonzeptes von 2014 entnommen werden kann, welches bis 2020 hätte umgesetzt sein sollen. Ein Teil der Maßnahmen wurde nun zum Sofortmaßnahmenprogramm, andere Maßnahmen werden bis 2025 nicht umgesetzt sein.Leipzig fehlt die Kraft um eigenständig einen großen Beitrag zu leisten. Leipzig ist – wie viele andere Städte und Gemeinden – zwingend auf Bundes- und Landesgesetze angewiesen, die zum Klimaschutz zwingen. Hierzu gehören neben einer deutlichen CO2-Bepreisung auch Förderungen, bspw. für den Ausbau des Nahverkehrs.
Martin Rebman, stellvertretender Sprecher des Arbeitskreise Klima und Energie beim BUND Leipzig
Frage:
Sind Zielstellung und Maßnahmen des Klimanotstands in Leipzig ausreichend umgesetzt?
Antwort:
Nein, wir sind nicht der Meinung, dass für die Zielstellung und Maßnahmen in Bezug auf den Klimanotstand bereits ausreichend gehandelt wurde. Wichtige Änderungen in den großen Bereichen Verkehr, Energie und Wärmebereitstellung blieben aus.
Frage:
Welche weiteren Aufgaben für mehr Klimaschutz müssen in Leipzig angegangen und bewältigt werden, um nicht nur eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einzunehmen, sondern tatsächlich die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass das 1,5°C-Limit nicht überschritten wird?
Antwort:
Wir vom Arbeitskreis Klima und Energie des BUND Leipzig hatten bereits am 08.06.2020 den Stadträt*innen unseren Forderungskatalog mit 10 Punkten überreicht, die unserer Einschätzung nach notwendigerweise umgesetzt werden müssen, um Leipzig klimaneutraler zu gestalten. Zu großen Eckpunkten wie beispielsweise 100 % erneuerbarem Strom und Wärmeversorgung, mehr Solaranlagen auf Dächern sowie städtebaulicher Anpassungen an ein wärmeres Klima wurden dort beleuchtet und klare Zielstellungen formuliert. Wir sind uns bewusst, dass diese 10 Punkte zwar nicht alle notwendigen Maßnahmen umfassen, jedoch einen großen Beitrag für die Stadt Leipzig und somit für uns alle leisten können.
Eric Butter, Greenpeace Leipzig
Fragen:
Sind Zielstellung und Maßnahmen des Klimanotstands in Leipzig ausreichend umgesetzt?
Welche weiteren Aufgaben für mehr Klimaschutz müssen in Leipzig angegangen und bewältigt werden, um nicht nur eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einzunehmen, sondern tatsächlich die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass das 1,5°C-Limit nicht überschritten wird?
Antworten:
Die Klimakrise stellt für die Menschheit eine der größten Herausforderungen in diesem Jahrhundert dar. Einerseits tragen wir aktiv zu ihrer Verschärfung bei, andererseits ist dadurch unsere Lebensgrundlage bedroht. Diese Konflikte stoßen bereits jetzt Folgekonflikte an, die auch in Leipzig spürbar sind. Als Leipziger*innen haben wir deshalb eine Verantwortung für effektiven Klimaschutz, um die Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur auf ein akzeptables Maß zu begrenzen. Im Pariser Abkommen hat die internationale Gemeinschaft sich darauf verständigt, dass eine Erwärmung um mehr als zwei Grad ggü. dem vorindustriellen Niveau nicht mehr akzeptabel ist und zur Vermeidung von Kipppunkten und der Vermeidung des unwiederbringlichen Verlustes von überlebenswichtigen Groß-Ökosystemen eine Erwärmung von 1,5 °C angestrebt werden sollte. Leipzig hat, um seinen Beitrag dazu zu leisten, vor einem Jahr den Klimanotstand ausgerufen und die darin festgelegten Maßnahmen Mitte des Jahres um ein Sofortmaßnahmenprogramm ergänzt.
Leipzig beansprucht für sich eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz, was (in Ermangelung von Klimaschutzanstrengungen vergleichbarer Akteur*innen) möglicherweise auch tatsächlich der Fall ist. Trotzdem sind die bisherigen Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele nicht ausreichend, wie der Umsetzungsbericht 2018 zum Energie- und Klimaschutzprogramm (EKSP) 2014-2020 zeigt.(Grafik S.2f.; Selbst bei Berücksichtigung aller beschlossenen Maßnahmen ist eine Emissionsreduktion von mehreren Tonnen pro Einwohner und Jahr in den nächsten Jahren nicht möglich.) Auch in Teilen der Stadtverwaltung scheint die Notwendigkeit einer zügigen Planungs- und Handlungsänderung zugunsten von Klimaschutz und Klimawandelanpassung noch nicht erkannt.
Deutlich ambitionierter zeigen sich die Leipziger Stadtwerke mit der angestrebten Wärmewende, wobei mittelfristig vollständig auf fossile Brennstoffe verzichtet werden muss. Auch der Ausbau von erneuerbaren Energien hat noch viel Luft nach oben, wobei hier teilweise landes- und bundesrechtliche Vorgaben entgegenstehen. Der eigentlich für viele Maßnahmen erforderliche Klima-Check von Beschlussvorlagen scheint die Kapazitäten der Stadt zu übersteigen. Die klimaneutrale Umstellung von Dienstreisen und Fuhrpark scheint schleppend anzulaufen, darf aber nicht zur Anschaffung von verbrauchsintensiven Elektro-Limousinen und -SUVs führen. Dies konterkariert sonst die Bemühungen der Stadtverwaltung, auf Landes- und Bundesebene, bei der Bevölkerung und weiteren Akteur*innen für intensiveren Klimaschutz zu werben. Ein großer Erfolg solcher Bemühungen war bisher noch nicht spürbar, dies kann aber auch der COVID-19-Pandemie geschuldet sein. Die Stadt sollte jedoch nicht die Stärkung der Klimaschutzpolitik durch den OBM für „umgesetzt“ erklären, wenn weiterhin eine klimaschädliche Energie- und Agrarpolitik durch den Bund betrieben wird.
Das Sofortmaßnahmenprogramm listet weitere Initiativen auf, die einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, bei denen jedoch im Moment nicht abzusehen ist, wie schnell sie in Angriff genommen werden. Zudem müssen die Beschlüsse auch umgesetzt werden (Stichwort Straßenbaumkonzept, bei dem pro Jahr nur annähernd die Hälfte der vorgesehenen Bäume gepflanzt wird). Notwendige Vorgaben, beispielsweise im Bereich Energieversorgung neuer Quartiere, gilt es konsequent durchzusetzen. Hier wird die nahe Zukunft zeigen, wie ernst es den Leipziger Akteur*innen mit dem Klimaschutz ist.
Leider werden diese Maßnahmen allesamt nicht ausreichen, um die Treibhausgasemissionen soweit zu reduzieren, dass das 1,5°C-Emissionsbudget eingehalten wird. Weitere Maßnahmen (z. B. Reduktion des Anteils tierischer Produkte in Kantinen; Energie-Grundversorgung mit Ökostrom bzw. Biogas; Verbot der Vor-Ort-Nutzung von Festbrennstoffen und Heizöl bei mittlerer und hoher Bevölkerungsdichte; Fernwärme-Anschlusszwang bei hoher Bevölkerungsdichte) sind jedoch unpopulär und auf kommunaler Ebene rechtlich schwierig bis unmöglich. Maßnahmen wie verstärkte energetische Sanierung kommunaler und genossenschaftlicher Wohnungen sind zu teuer und bei gegenwärtiger gesetzlicher und finanzieller Lage nicht mit dem Gedanken der Klimagerechtigkeit vereinbar.
Dies darf jedoch nicht bedeuten, dass sich nicht um kreative Lösungen bemüht wird. Dass Leipzig sein 1,5°C-Budget alleine nicht einhalten kann, darf nicht heißen, dass Klimaschutz aufgegeben wird, sondern muss heißen, dass sowohl alles Mögliche zur Emissionsreduktion unternommen wird, als auch Klimawandelanpassungsmaßnahmen umso intensiver vorangetrieben werden. Die Leipziger Situation zeigt auch, wie schwer ausreichender Klimaschutz für eine Stadt alleine zu erreichen ist: Seiner beanspruchten Vorreiterrolle gerecht zu werden, muss für Leipzig daher auch bedeuten, auf Bundes- und Landesebene entschieden für stärkere Maßnahmen zu werben, ohne dabei die eigenen Bemühungen zu vernachlässigen
Scientists for Future Leipzig
Die hier geäußerten Einschätzungen entstanden durch den Input einiger Mitglieder der Scientists for Future – Leipzig. Eine voll umfängliche Ausarbeitung der Antworten würde eines intensiven Erarbeitunsprozesses bedürfen. Für Letzteren stellen wir gerne unsere Mitarbeit in der Kommune zur Verfügung. (Kontakt: https://s4f-leipzig.de/contact/)
Frage:
Sind Zielstellung und Maßnahmen des Klimanotstands in Leipzig ausreichend umgesetzt?
Antwort:
Zuerst einmal gilt es anzuerkennen, dass „die Stadt“ Leipzig kleine Schritte in Richtung Klimaneutralität geht – allerdings viel davon bisher nur auf dem Papier.
Und neben der Tatsache, dass die Verwaltung einer Stadt sowieso schon langsam ist, kam für mehr als die Hälfte des vergangenen Jahres noch die Corona-Pandemie als erschwerende Maßnahme hinzu.
Dies führt zu der Situation, dass die Klimakrise, die ja nicht innehält, nur weil eine weitere Krise dazugekommen ist, weiter voran schreitet, und eine Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens, wie im Beschluss der Ratsversammlung als wichtig hervorgehoben, immer schwerer zu erreichen sein wird.
Leider ist von einer Vorreiterrolle von Leipzig in Sachen Klimaschutz, wie sie im Beschluss der Ratsversammlung vom 30.10.2019 im 1. Punkt aufgeführt wird, fast nichts zu bemerken. Andere Städte waren schon vor einem Jahr weiter, weitere Städte haben im vergangenen Jahr aufgeholt. Leipzig muss endlich ernst machen um ihrem Titel Energie- und Klimaschutzkommune, der im European Energy Award errungen wurde, aber bisher eher nur auf dem Papier steht gerecht zu werden.
Immerhin: Es wurde erkannt, dass Leipzig seit vielen Jahren trotz eines langsamen Trends zur CO2 Reduktion auf dem Weg ist, die Erreichung der Pariser Klimaziele unumkehrbar zu verfehlen (s. Grafik, Quelle [1,2]):
Als Fazit lässt sich also sagen: ja, es werden Beschlüsse gefasst und erste kleine Schritte gegangen. Aber die Klimakrise wird auch von der Stadt Leipzig nicht wie die Krise behandelt, die sie ist.
Frage:
Welche weiteren Aufgaben für mehr Klimaschutz müssen in Leipzig angegangen und bewältigt werden, um nicht nur eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einzunehmen, sondern tatsächlich die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass das 1,5°C-Limit nicht überschritten wird?
Antwort:
Aufgaben stehen in vielen Bereichen an, die durch die kommunale Ebene beeinflusst werden können:
- Energieversorgung: Es muss auf erneuerbare Energien umgestellt werden (innerhalb von Leipzig vorrangig durch Installation von Photovoltaik (PV) auf allen (nicht nur städtischen) Gebäuden). Dazu müssen kommunale aber auch andere öffentliche Potenziale erschlossen werden (z.B. mehr Möglichkeiten schaffen für Bürgerinitiativen zum Ausbau, Finanzierung und Betrieb von PV).
- private und kommunale Gebäude: Die energetische Sanierungen ist zu beschleunigen (Priorität: Senkung des Energiebedarfs durch z.B. Häuserdämmung und Ersatz alter Heizungen). Wie im Punkt zuvor, so gilt auch hier, dass dies Gebäude in Hand der Stadt betrifft, dass aber auch Anreize geschaffen werden müssen, die die konsequente Ablösung von fossilen Energieträgen incl. Erdgas für alle Gebäude voranbringen.
- Wärmeversorgung: Anhand einer kommunalen Wärmeplanung müssen die Gebäude identifiziert werden, die nicht mit einer dezentralen Wärmepumpe versorgt werden können und deshalb auf ein Wärmenetz angewiesen sind. Die Ausbaupläne des Wärmenetzes müssen darauf angepasst werden. Die schnellstmögliche Transformation des Fernwärmenetzes auf verlustärmeren Wärme 4.0 Standard (Definition siehe [3]) mit Öffnung zur breiten Einspeisung erneuerbarer Wärme (Solarthermie und Umweltwärme über mit grünem Strom betriebene Wärmepumpen) und von noch zu ermittelnden Abwärme-Potenzialen (z.B. aus Prozesswärme der Industrie und Gewerbe). Die Wärmeversorgung im Fernwärmenetz muss dekarbonisiert werden. Grüner Wasserstoff oder daraus gewonnenes synthetisches Methan eignen sich dabei nur zur Deckung von Lastspitzen und Sicherstellung der Versorgung in Zeiten, in denen andere nicht steuerbare Quellen nicht ausreichend zur Verfügung stehen.
- Verkehr: Eine Verminderung des mit fossilen Brennstoffen angetriebenen Verkehrs ist nötig und kann unterstützt werden durch z.B. die Einführung eines 365-Euro-Tickets für öffentlichen Nahverkehr, den Ausbau von Radwegen (auch unabhängig von sowieso anstehenden Straßenbauprojekten), mehr Angebote im Park & Ride Bereich und ggf. Gebühren für Stellplätze für PKW.
- Umsetzung: als Vorgehensweise wäre folgendes sinnvoll: auf Basis der (sektorspezifischen) Aufstellung der jährlichen Leipziger Treibhausgas-Emissionen sollten Ziele definiert werden zu den Reduktionen, die in z.B. 5, 10, 15 Jahren erreicht sein sollen/müssten. Dazu muss eine Strategie entwickelt werden, für die zuerst ermittelt werden muss: Wie stark wirken welche Maßnahmen? Was kann schnell getan werden kann und was dauert länger? Was braucht Übergangslösungen? Und wo landen wir (bezüglich CO2-Budget) mit welcher Strategie? Dann muss es an die Auswahl der nötigen Maßnahmen und deren Umsetzung gehen.
- Konsum: Der Bereich des Konsums ist durch die Kommune nur indirekt beeinflussbar. Hier könnte die Information der Bürger (ausgehend von „der Stadt“) über die Klimakrise helfen, deren Verhalten im Sinne von mehr klimafreundlichem Verhalten zu verändern.
Diese Mitnahme der Bevölkerung ist generell wichtig. Es gilt also, die Bevölkerung nicht nur über die Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit der Klimakrise zu informieren, sondern sie auch über die daraus erwachsenden Aufgaben und Änderungen zu informieren, um Zustimmung zu den Maßnahmen oder zumindest Akzeptanz zu bekommen.
ABER: „Klimanotstand“ ist kein Modebegriff, sondern eine schrillende Alarmglocke. Zuerst einmal ist es also wichtig, dass die handelnden und entscheidenden Personen verstehen, dass die Ausrufung des Klimanotstands nötig war und ist, weil dringendst gehandelt werden muss!
[3] https://www.unendlich-viel-energie.de/media/file/2471.ifeu_Heidelberg_Waermenetze-4.0_aug18.pdf , S. 19
Sylvio Röske, Employees for Future Leipzig
Frage:
Sind Zielstellung und Maßnahmen des Klimanotstands in Leipzig ausreichend umgesetzt?
Antwort:
Die verabschiedeten Sofortmaßnahmen zum Klimanotstand zeigen: Die Stadtverwaltung versteht, welche vielseitigen Möglichkeiten sie hat, um CO2 einzusparen und Leipzig umweltfreundlicher zu gestalten. Die einzelnen Maßnahmen sind allerdings nur ein erster Schritt und müssen so schnell wie möglich intensiviert und deutlich ausgeweitet werden.
Frage:
Welche weiteren Aufgaben für mehr Klimaschutz müssen in Leipzig angegangen und bewältigt werden, um nicht nur eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einzunehmen, sondern tatsächlich die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass das 1,5°C-Limit nicht überschritten wird?
Antwort:
Leipzig hat durch seine Lage und Struktur eine riesige Chance, mit ambitionierten Maßnahmen zum Klimaschutz nicht nur umweltfreundlicher, sondern vor allem noch lebenswerter zu werden. Klimaschutz in Leipzig bedeutet daher nicht Verzicht, sondern Gewinn von Lebensqualität!
Dabei gilt: Zum Klimaschutz müssen alle beitragen. Je mehr Akteure (öffentliche Institutionen, Wohnungsbaugesellschaften, kleine und große Unternehmen) die Stadt als Mitstreiter auf diesem Weg gewinnen kann, umso größer wird die Wirkung! Hier kann die Stadt Leipzig eine Vorreiterrolle einnehmen, indem sie Unternehmen über ihre Möglichkeiten zum Klimaschutz informiert, bei der Umsetzung unterstützt und zielgerichtet fördert.Klar ist: Die Stadt Leipzig muss selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Eine Umstellung der Stromversorgung sämtlicher kommunaler Gebäude auf 100% Ökostrom wäre ein Zeichen mit großer Signalwirkung, ebenso wie eine vollständige Versorgung mit regionalen und Bio-Lebensmitteln in allen kommunalen Kantinen und in der Kita- und Schulversorgung.
Aus Arbeitnehmer:innensicht ist ein besonders wünschenswertes Ziel, dass der private PKW im Berufsverkehr in Leipzig überflüssig wird. Dazu ist eine flächendeckende Ausweitung von Fahrradstraßen, der Ausbau von Radschnellwegen sowie eine weitergehende Förderung des ÖPNVs unumgänglich.
Für euch zur Info:In unserer E4F-Roadmap haben wir übersichtlich dargestellt, was Mitarbeiter:innen in Unternehmen, Organisationen und kommunalen Einrichtungen selbst machen können, um ihren Arbeitgeber nachhaltiger und klimafreundlicher zu machen.
Markus, Extinction Rebellion Leipzig
Frage:
Sind Zielstellung und Maßnahmen des Klimanotstands in Leipzig ausreichend umgesetzt?
Antwort:
Wir werden uns hier vor allem auf das Sofortmaßnahmenprogramm zum Klimanotstand 2020 beziehen: Das klingt positiv und ambitioniert, doch angesichts der Umsetzung der bisherigen Energie- und Klimaschutzziele drängt sich doch schon sehr stark die Frage auf, ob es sich um eine weitere Liste leerer Versprechungen handelt. Sieht man sich das EKSP von 2014 bis 2020 an, so sind nämlich die meisten Punkte nur zum Teil und viele auch gänzlich unerledigt geblieben.
Wir reden hier tatsächlich von einer Klimakrise. Es bedarf keiner langen Recherche, um sich selbst ein Bild davon zu machen, wie katastrophal schon jetzt die Auswirkungen des Klimawandels sind und wie viel katastrophaler sie noch werden können, schon alleine in Deutschland und unserer Region. Dies wird sogar in der Einleitung des Sofortmaßnahmenprogramms zum Klimanotstand 2020 erläutert. Angesichts dessen ist es nötig, dass die Stadt hier die Prioritäten für das Sofortmaßnahmenprogramm zum Klimanotstand, das Klimanotstandsprogramm und das EKSP von 2021-2030 ganz klar der von ihr selbst definierten Situation der Klimakrise anpasst und in allen Entscheidungen konsequent dem Klimaschutz die oberste Priorität einräumt, denn genau das bedeutet Klimanotstand.
Und das bringt uns zum gesamten Ton dieses Programms: die Ziele klimaneutrale Stadtverwaltung bis 2035 und eine angestrebte pro-Kopf Nettoemissionsnull zum Jahr 2050 spiegeln deutlich wieder, mit welcher Art von „Dringlichkeit“ hier gehandelt wird. Nettonull bis 2050 bedeutet, dass wir in 30 Jahren anfangen, den Schaden wieder hinzubiegen, den wir bis dahin verursacht haben. Doch der Schaden ist schon lange spürbar, und wer mit der aktuellen Geschwindigkeit der Erderwärmung und dem Konzept der Kippelemente im globalen Klimasystem vertraut ist weiß, dass es in 30 Jahren nicht mehr viel hinzubiegen gibt.
Theoretisch also, würden wir uns hier nicht in einer Krise befinden, wäre das Sofortmaßnahmenprogramm ein guter Anfang für ein besseres, nachhaltigeres und gesünderes Stadtleben. Doch die Krise ist hier, und wir befinden uns mittendrin. Das Programm der Stadt klingt momentan noch eher nach ‚business as usual‘ mit ein paar netten Features, deren Maßstab sich jedoch auch vor allem auf die Gebäude und Struktur der Stadtwerke und Stadtverwaltung beschränken. Dieser Maßstab muss sich auf die gesamte Stadt ausweiten und wichtige Themen wie den Erhalt und die Regeneration von Ökosystemen, den Bau von Gebäuden, unsere Energieversorgung, die Versiegelung von Flächen und den Straßenverkehr weitaus ernsthafter adressieren.
Frage:
Welche weiteren Aufgaben für mehr Klimaschutz müssen in Leipzig angegangen und bewältigt werden, um nicht nur eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einzunehmen, sondern tatsächlich die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass das 1,5°C-Limit nicht überschritten wird?
Antwort:
Allem voran muss Klimaschutz sichtbar sein und zum Mitmachen ermutigen! Die Stadt muss mit den Menschen reden, partizipatorische Projekte und Prozesse initiieren und Anreize für ein nachhaltiges Leben schaffen, sei das über regelmäßige Bürger*innenversammlungen, Förderung von Stadtgärten, sozialen Landwirtschaften und vielen anderen oder durch eine gemeinsame Gestaltung neuer und alter Lebensräume.
Die Stadt Leipzig muss ihre Reichweite beispielsweise auf Veranstaltungen und Werbeflächen nutzen, um deutlicher auf die klimatische Lage sowie die Verantwortung und Betroffenheit ihrer Bürgerinnen und Bürger sowie der hier ansässigen Unternehmen aufmerksam zu machen. Was uns besonders wichtig ist, ist die Beteiligung der Menschen bei diesen Prozessen, denn die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt wissen oft am besten, was wie und wo zu tun ist.
Doch muss Bürger*innenbeteiligung real sein und nicht nur auf dem Papier existieren. Ein „Klimabeirat“, der nur alle 6 Monate tagen soll, das bisher geplante bloße Informieren des Beteiligtenkreises von Bürgerinnen und Bürgern auf der Leipziger Klimakonferenz oder ein paar nicht repräsentative AGs im Forum „Nachhaltiges Leipzig“ sind keine echte Beteiligung. Politik muss im Diskurs mit den Menschen gemacht und zusammen mit diesen konstruktiv und gemeinschaftlich umgesetzt werden.
Die Stadt sollte und muss nicht alles von oben herab und alleine erledigen, zum Einen weil, wie uns oft aus den Reihen der Ämter gesagt wurde, deren Ressourcen sehr knapp sind, und zum Anderen weil die Einbindung und Teilnahme von betroffenen Menschen den Erfolg eines Projektes deutlich vergrößern können. So könnte die Stadt zusammen mit lokalen Naturschutzverbänden beispielsweise eine Kampagne veranlassen, in der Grün- und Brachflächen sowie Baumscheiben zu Blühwiesen, Stadtgärten und kleinen grünen Inseln werden, die die Wasserspeicherkapazität und das Sequestrationspotential des Bodens fördern. Projekte dieser Art würden die Freude am Leben in der Stadt erhöhen und Menschen mobilisieren, sich konstruktiv an der Verbesserung des Stadtklimas zu beteiligen. All die hier gelisteten Konzepte sind nebenbei nichts bahnbrechendes. Sie wurden überall auf der Welt bereits in großen Städten angewandt und laufen erfolgreich weiter.
Zum Thema des Sequestrationspotentials des Bodens, also seiner Eigenschaft, Kohlenstoff zu speichern: Unsere Grün-, Wald- und Parkflächen sind natürliche Kohlenstoffsenken, die auch der Wasserspeicherung und der Kühlung des Stadtklimas und des Umlands dienen. Allein schon dass viele unserer Park- und Grünflächen im Sommer dem starken Stress des zu häufigen Mähens ausgesetzt sind und schließlich vertrocknen, zeigt, wie wenig auf solche simplen Zusammenhänge Acht gegeben wird.
Die Stadt trägt die Verantwortung für das Stadtklima und damit das Kleinklima des Leipziger Landes. Über einen achtsameren Umgang mit der Natur, einen klaren Fokus auf Biodiversität und mehr Begrünung von dazu geeigneten Flächen (auch Dach- und Fassadenbegrünung) bietet sich eine nachhaltige Klimawandelanpassungsstrategie, die die Qualität des Stadtlebens spürbar erhöhen kann.
Weitere Maßnahmen mit höherem bürokratischem Aufwand, die dadurch jedoch keineswegs an Dringlichkeit verlieren, sind beispielsweise die Förderung eines Deckvereins, in dem sich alle Klima-, Umwelt-, Natur- und Tierschutzvereine und viele andere Organisationen bündeln und gemeinsam für ein nachhaltiges Stadtleben wirken können.
Ein solcher Verein könnte Stadtteilfeste organisieren, Repair-Cafés eröffnen, zur Konsumgesellschaft alternative und nachhaltigere Versorgungsstrukturen entwickeln, Workshops geben und Menschen zunehmend für die Bedeutung eines klimagerechten Lebens sensibilisieren und mobilisieren. Die Stadt Leipzig erhält zusätzlich dadurch ein Bürgerkompetenzzentrum, das helfen kann, geeignete Maßnahmen zu den Klimaschutzzielen zu erreichen.
Des Weiteren sollte eine Internetplattform für mehr Bürgerbeteiligung an den Klimaschutzzielen der Stadt Leipzig ins Leben gerufen werden, die Angebote an Kantinen und Mensen auf eine vor allem pflanzenbasierte (nicht nur biologische) Ernährung umgestellt werden, größere Einschränkungen für den Autoverkehr (durch bspw. weniger Parkflächen, Verlangsamung durch ein Vorfahrtsrecht der Straßenbahn sowie mehr Fußgängerzonen und Fahrradstraßen) bei gleichzeitiger Erhöhung der Attraktivität von öffentlichen Verkehrsmitteln und Radverkehr gelten und viele andere, wobei sich die Ansätze des Sofortmaßnahmenprogramms inzwischen schon häufig mit unseren decken.
Unser Punkt ist vor allem: die Ernsthaftigkeit der Lage muss bekannt und der Maßstab der Vorhaben dieser Lage angemessen sein, diese Maßnahmen mit den Bürgerinnen und Bürgern zusammen umgesetzt werden. Hierbei spielen auch die örtlichen Bewegungen eine große Rolle. Aus den Reihen des Umwelt- und Grünflächenamts haben wir schon häufig gehört, dass sich Vertreter der Stadtpolitik mehr gelebte Demokratie und einen konstruktiven Austausch mit zivilen Bewegungen wünschen. Wir sagen: Das ist möglich!
Michael Neuhaus, Fraktion Die Linke Leipzig
Frage:
Sind Zielstellung und Maßnahmen des Klimanotstands in Leipzig ausreichend umgesetzt?
Antwort:
Vor dem Beschluss wurde auf Grund der Wortwahl „Notstand“ im Stadtrat diskutiert, ob nun die Bundeswehr in Leipzig einrückt oder der Oberbürgermeister mittels Notstandsgesetzen durchregieren kann. All das ist ebenso ausgeblieben, wie die rasche Umsetzung der einzelnen Beschlusspunkte des Klimanotstandes. Wir singen der Klimakrise aktuell ein Klimanotständchen anstatt zu reagieren, wie es bei einem Notstand angemessen wäre.
Trotzdem soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass einige Prozesse in Gang gekommen sind, oder nun endlich in den Stadtlöchern stehen. Auch dass Corona der Verwaltung sowohl finanziell als auch von der Planung her einen ordentlichen Strich durch die Rechnung gemacht hat, sollte berücksichtig werden. Nun aber zu dem was passiert ist:
1) Wir haben inzwischen einen Klimabeirat etabliert, welcher Bewegungen und Umweltverbänden die Mitgestaltung der Leipziger Klimapolitik ermöglichen soll. Auch wenn der Start des Beirates wegen der Corona-Pandemie mehr als holprig war, bin ich hoffungsvoll, dass wir den Beirat in den geplanten Gesprächen über seine Arbeitsweise und Aufgaben von einem Pseudobeteiligungsgremium zu einem Mitmachprojekt umgestalten können.
2) Die Prüfung von Stadtratsvorlagen und Anträgen auf ihre Klimawirkung steht laut Verwaltung in den Startlöchern und soll noch dieses Jahr kommen.
3) Leipzig hat wie im Klimanotstand beschlossen ein Sofortmaßnahmenprogramm für den Klimaschutz erarbeitet. Bei aller Kritik an der Kurzfristigkeit dieses Beschlusses und der darin enthaltenen Maßnahmen ist meiner Meinung nach dennoch ein respektables Ergebnis dabei herausgekommen. Während andere Kommunen wegen der Coronakrise mit Haushaltssperren gekämpft haben, hat Leipzig mehr als 20 Millionen Euro und zusätzliche Personalstellen für den Klimaschutz locker gemacht. Unter den 24 Maßnahmen befinden sich Projekte wie ein Leipziger Energie- und Baustandard, die Errichtung neuer Photovoltaikanlagen, die Entwicklung des Baumbestandes, eine Solar- und Gründachpflicht für städtische Baumaßnahmen sowie Bauprojekte auf städtischen Grundstücken, dass die Leipziger Klimakonferenz nun jährlich stattfinden soll und dass die Bürger*innen Vorschläge für das gerade in der Erarbeitung befindliche Energie- und Klimaschutzprogramm machen dürfen.
Beschließen ist allerdings nur die halbe Miete. Dass jedoch gerade die Umsetzung solcher Beschlüsse das Problem ist, zeigt das letzte Energie- und Klimaschutzprogramm. Von 106 Maßnahmen wurden gerade mal 26 vollständig umgesetzt.
Das darf den Punkten des Klimanotstandes nicht passieren. Nach dem Klimanotstand ist also vor dem Klimanotstand.
Frage:
Welche weiteren Aufgaben für mehr Klimaschutz müssen in Leipzig angegangen und bewältigt werden, um nicht nur eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einzunehmen, sondern tatsächlich die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass das 1,5°C-Limit nicht überschritten wird?
Antwort:
Welche weiteren Aufgaben für mehr Klimaschutz müssen in Leipzig angegangen und bewältigt werden, um nicht nur eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einzunehmen, sondern tatsächlich die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass das 1,5°C-Limit nicht überschritten wird?
Wir brauchen ein Energie- und Klimaschutzprogramm, welches nicht nur beschlossen, sondern vor allem auch umgesetzt wird. Das gilt auch für all die anderen Konzepte, welche zwar nicht das Wort „Klima“ im Namen tragen, aber trotzdem etwas mit Klimaschutz zu tun haben. Ich denke da zum Beispiel an die Leipziger Mobilitätsstrategie.
Eines der Hauptprobleme ist nämlich immer noch der Verkehr. Hier hat sich in den letzten Jahren konsequent nichts getan. Wer jedoch weniger Autos will, muss auch so handeln: also weniger Parkplätze beim Bau neuer Wohngebiete, dafür aber eine gute und bezahlbare ÖPNV-Anbindung mit guter Taktung, sichere Fahrradwege und Car-Sharing-Alternativen, falls man doch mal ein Auto braucht.
Außerdem ist der Verlust von Grünflächen ein großes Problem für das Stadtklima und die biologische Vielfalt. Das NABU drehte deshalb den Leitspruch der Leipziger Stadtentwicklung „Leipzig wächst nachhaltig“ um und machte daraus „Leipzig schrumpft“. Eine Durchgrünung der Stadt mit Dach- und Fassadenbegrünung, ökologisch angelegten Parkanlagen und dem Pflanzen von Bäumen können eine natürliche CO2-Senke sein, das Stadtklima verbessern und der biologischen Vielfalt auf die Sprünge helfen.Auch die Wärmeversorgung der Stadt hat noch viel Luft nach oben, wenn es um Klimaschutz geht. Raus aus der dreckigen Fernwärme des Kohlekraftwerks Lippendorf, war ein erster Schritt. Nun brauchen wir Solaranlagen auf allen geeigneten Flächen, Wärmepumpen und alles Weitere was hilft uns schnellstmöglich von Erdgas oder Wasserstoff unabhängig zu machen.
Eines ist aber auch klar: Was Bund und Land verpennt haben, wird Leipzig nicht kompensieren können. Der Klimaschutz ist nur eine von vielen Aufgaben der Stadt und dabei laut sächsischer Gemeindeordnung nicht mal eine Pflichtaufgabe. Wenn die Parteien, die in Leipzig ständig mehr Klimaschutz fordern, so auch auf Landes- und Bundesebene in den Regierungen handeln würden, dann wären wir vermutlich schon viel weiter, als wir es mit jedem Klimanotstand in Leipzig sein können.
Sophia Kraft, Sprecherin für Digitales und Energiepolitik & stellvertretende Fraktionsvorsitzende Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen Leipzig
Frage:
Sind Zielstellung und Maßnahmen des Klimanotstands in Leipzig ausreichend umgesetzt?
Antwort:
In diesem Sommer haben wir nach zähem Ringen das 20 Millionen schwere Klimasofortmaßnahmenprogramm – mit insgesamt 10 Grünen verschärften Änderungsanträgen unter anderem für mehr Stadtgrün, mehr erneuerbare Energien und mehr Einsatz der Beteiligungsunternehmen für den Klimaschutz – verabschiedet. Damit wurde eine wichtige Maßnahme aus dem Klimanotstand umgesetzt.
Auch wurde erreicht, das der Klimabeirat um Vertreter*innen der Stadtratsfraktionen, des Jugendparlaments und der Umweltverbände erweitert wurde. Das Klimareferat wurde zumindest formal eingerichtet und städtischen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor als auch Dienstreisen auf Basis fossiler Energieträger ein Riegel vorgeschoben.
Dennoch darf nicht unter den Teppich gekehrt werden, welche Maßnahmen aus dem Klimanotstand in diesem Jahr noch nicht umgesetzt wurden: beispielsweise das Konzept zur Klimaneutralen Verwaltung 2035 und die Prüfung aller Beschlussvorlagen auf ihre Klimawirkung. Auch der Fortschreibungsprozess des aktuellen Energie- und Klimaschutzprogramms bis 2030 steht noch aus und es wurde bisher noch kein Klimaschutz-Monitoring eingeführt, mit dem Fortschritte oder Rückschritte privater und öffentlicher Maßnahmen beim Klimaschutz messbar gemacht werden und auf dieser Basis eine Klimaschutz-App entwickelt werden kann.
Darüber hinaus fehlt noch immer ein gemeinsames Verständnis zwischen Stadtrat, Verwaltung und Beteiligungsunternehmen, was unter „Klimaneutralität“ eigentlich konkret verstanden wird. Wir haben schon ein paar Schritte seit der Ausrufung des Leipziger Klimanotstandes geschafft, aber bei vielen Maßnahmen muss der Klima-Bürgermeister Rosenthal einen Zahn zulegen, um den Forderungen von uns Grünen und den Leipziger Klimaaktivitist*innen gerecht zu werden.
Frage:
Welche weiteren Aufgaben für mehr Klimaschutz müssen in Leipzig angegangen und bewältigt werden, um nicht nur eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einzunehmen, sondern tatsächlich die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass das 1,5°C-Limit nicht überschritten wird?
Antwort:
Im Moment ist jede und jeder von uns sehr direkt von der Corona-Pandemie betroffen, während es bei der Klimakrise um die Generation unserer Kinder und Enkelkinder und vor allem um die Menschen im Globalen Süden geht. Die Klimakrise wird eine noch größere Krise sein, weil sie langanhaltend sein wird, weil sie die gesamte Zukunft bestimmt. Deswegen ist es wichtig, dass wir jetzt nicht über der aktuellen Pandemie die langfristigen Fragen unserer Zeit plötzlich hintenan stellen und konsequent an der Einhaltung des Pariser Klimaabkommens arbeiten!
Damit meine ich konkret, dass wir weiterhin die finanzielle Grundlage für unsere Klima-Beschlüsse im Stadtrat sicherstellen müssen und keine Gelder für den Klimaschutz plötzlich abgezogen werden dürfen. Die beschlossenen Maßnahmen aus dem Leipziger Klimanotstand sind zukunftsweisend und müssen sukzessive umgesetzt werden.
Aus der derzeitigen Corona-Pandemie kommen wir nur gestärkt heraus, wenn wir dem Anspruch »Building back better« folgen, nämlich unsere Stadtgesellschaft und Wirtschaft sozial und ökologisch nachhaltiger und somit krisenfester zu stützen und wieder aufzubauen. Hier geht es darum, Fördermittel für die Wirtschaft an klimafreundliche Kriterien zu knüpfen.
Unsere Leipziger Zivilgesellschaft hat bei diesem Ringen um mehr Klimaschutz natürlich auch eine große Bedeutung. Ohne die Leipziger Bevölkerung werden wir diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe eines effektiven Klimaschutzes nicht schaffen. Auch die bislang angeschobenen Maßnahmen reichen bei Weitem nicht aus, damit Leipzig seinen globalen Anteil leistet. Es braucht noch deutlich mehr Druck von Seiten der Zivilgesellschaft, um Klimaanpassung und Klimaschutz voranzutreiben.
Jürgen Kasek, Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen Leipzig
Frage:
Sind Zielstellung und Maßnahmen des Klimanotstands in Leipzig ausreichend umgesetzt?
Antwort:
Ich bin der Meinung, dass wir gerade erst am Anfang sind. Die Ausrufung des Klimanotstandes war ein symbolischer Akt. Beschlossen wurde auch ein Sofortmaßnahmeprogramm, welches wir inzwischen auch haben, dass aber aus meiner Sicht nicht weit genug geht. Beschlossen wurde auch, dass alle Vorlagen hinsichtlich Klimaschutz geprüft werden sollen, was noch nicht erkennbar ist, bis wann das kommen soll. Papier ist geduldig unsere Zeit ist es nicht. Wir bewegen uns weiterhin ungebremst auf die Katastrophe zu. Die Einschätzungen der Stadt sind in weiten Teilen zu positiv.
Frage:
Welche weiteren Aufgaben für mehr Klimaschutz müssen in Leipzig angegangen und bewältigt werden, um nicht nur eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einzunehmen, sondern tatsächlich die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass das 1,5°C-Limit nicht überschritten wird?
Antwort:
Die Notwendigkeit des radikalen Handelns ist vielen immer noch nicht bewusst. Wir verschlafen gerade zielgerichtet die Verkehrswende und können uns nebenbei, siehe Georg- Schwarz Brücken Infrastrukturprojekte, die die Zielstellung der drastischen Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs entgegenlaufen. Es werden immer noch Heizpilze erlaubt und zuviel Wärme und Strom verbraucht.
Wenn wir wirklich eine Vorreiterrolle einnehmen wollen, müssen wir auch bereit sind uns zu reduzieren und radikal zu handeln.
Dr. Sabine Heymann, CDU Fraktion Leipzig
Frage:
Sind Zielstellung und Maßnahmen des Klimanotstands in Leipzig ausreichend umgesetzt?
Antwort:
Mit dem am 15.Juli 2020 vom Stadtrat beschlossenen Sofortmaßnahmeprogramm (Allris: A-07961-DS-10) hat sich die Stadt Leipzig ein sehr anspruchsvolles Klimaschutzprogramm auferlegt, dessen Umsetzung große strukturelle und finanzielle Anstrengungen erfordert. Die CDU-Fraktion hat diesen Beschluss mitgetragen, und legt dabei besonderen Wert auf den Dreiklang von ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Nachhaltigkeit.
Gleichwohl lehnen wir weiterhin den Begriff Klimanotstand ab und sprechen von Klimaschutz.
Frage:
Welche weiteren Aufgaben für mehr Klimaschutz müssen in Leipzig angegangen und bewältigt werden, um nicht nur eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einzunehmen, sondern tatsächlich die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass das 1,5°C-Limit nicht überschritten wird?
Antwort:
Zuerst einmal geht es darum, das bereits Beschlossene auch real umzusetzen.Zum genannten Ratsbeschlusss gehört auch der Auftrag, das geltende städtische Energie- und Klimaschutzprogramm unter breiter Öffentlichkeitsbeteiligung fortzuschreiben. Dies sehen wir als den richtigen Rahmen, um auf Grundlage der Umsetzungserfahrungen zum Sofortmaßnahmeprogramm über neue Klimaschutzaufgaben zu entscheiden.
Bürgermeister Heiko Rosenthal – Dezernat Umwelt, Klima, Ordnung und Sport der Stadt Leipzig
Frage:
Sind Zielstellung und Maßnahmen des Klimanotstands in Leipzig ausreichend umgesetzt?
Antwort:
Im Hinblick auf die gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen der letzten Monate und den jetzigen Zeitpunkt, sind aus unserer Sicht die Beschlüsse zum Klimanotstand in einer Art und Weise umgesetzt, die uns überwiegend positiv zurückschauen lassen. Natürlich haben wir nicht sämtliche Beschlüsse fristgerecht umsetzen können und werden auch bei der ein oder anderen Beschlusslage noch etwas mehr Zeit benötigen. Dies begründet sich vor allem damit, dass wir in der aktuell sehr angespannten Haushaltslage die personellen Kapazitäten nicht wie gewünscht aufbauen konnten. Dennoch haben wir mit dem Beschluss zum 20-Millionen-Euro-Sofortmaßnahmenprogramm am 15.07.20 und der Einrichtung des Referates Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz in diesem Sommer bereits zwei Meilensteine umsetzen können. Allein das spricht bereits für eine Vorreiterrolle im Klimaschutz auf nationaler Ebene. Die neuen Regelungen für Dienstreisen und bei der Beschaffung von Fahrzeugen konnten wir trotz einiger Herausforderungen schon am Anfang diesen Jahres umsetzen. Eine Methodik zur Prüfung städtischer Entscheidungen auf Klimawirkung wiederum ist entwickelt und wir zeitnah zur Anwendung kommen.
Frage:
Welche weiteren Aufgaben für mehr Klimaschutz müssen in Leipzig angegangen und bewältigt werden, um nicht nur eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einzunehmen, sondern tatsächlich die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass das 1,5°C-Limit nicht überschritten wird?
Antwort:
Im veröffentlichten Umsetzungsbericht 2018 „Europäische Energie- und Klimaschutzkommune“ der Stadt Leipzig wird sehr deutlich, vor welchen enormen Herausforderungen wir als Gesellschaft bei der Erfüllung des Pariser Klimaschutzabkommens stehen. Bei einem „weiter so wie bisher“ ist es bereits im Jahr 2026 nicht mehr möglich, dass wir unseren Anteil an dieser Erfüllung leisten. Zur Wahrheit gehört, dass wir diese drastische Absenkung der THG-Emissionen nicht allein mit unseren kommunalen Möglichkeiten umsetzen können. Unsere Pflicht als Verwaltung ist es zunächst, die beschlossen Maßnahmen, unter anderem des Sofortmaßnahmenprogramms, so konsequent wie möglich umsetzen. Aber nur wenn es gelingt, das Bewusstsein und das Handeln in der Bevölkerung noch stärker hervorzurufen und gleichzeitig mehr Verantwortung auf kommunaler Ebene zu bekommen, können die erforderlichen Schritte auch angegangen werden. Es geht dabei zum Beispiel um eine wirtschaftliche Besserstellung und verbesserte Akzeptanz von erneuerbaren Energien, eine Regulationsmöglichkeit bei der Sanierung des Gebäudebestandes oder um effektive Anreize bei der Senkung der THG-Emissionen im Wirtschaftsbereich.